Mindest-Ausbildungsvergütung im Töpferhandwerk

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Wenn es nach der Bundesregierung geht, sollen Auszubildende künftig einen Mindestlohn erhalten.

Ein Gesetzentwurf sieht ab 2020 im ersten Lehrjahr mindestens 515 Euro pro Monat vor – bis 2023 steigt dieser Betrag auf 620 Euro. Im zweiten Ausbildungsjahr erhöht sich die Mindestvergütung nochmal um 18 Prozent und im dritten um 35 Prozent.

Vor allem für kleinere Handwerksbetriebe sind solche Summen schlichtweg nicht bezahlbar. Maria Ziaja von der Friedrichstädter Keramikwerkstatt „tonalto“, Gisela Rerup von der Niebüller „Friesentöpferei“ und die in Reußenköge ansässige Handwebmeisterin Birgit Peters sorgen sich um den Fortbestand ihrer alten Handwerksberufe.

Maria Ziaja hat ihre Ausbildung vor mehr als 30 Jahren in Freiburg gemacht und musste anfangs mit 120 Mark auskommen. Aktuell starten Auszubildende in ihrer Keramikwerkstatt mit 153 Euro monatlich, im dritten Lehrjahr landen sie bei 205 Euro. Der Betrieb trägt zusätzlich die Krankenkassenbeiträge.

„Das können wir gerade noch so stemmen“, sagt sie. „Vielleicht“, so räumt sie ein, „würden sich mehr junge Leute für eine Lehre im Keramikerhandwerk entscheiden, wenn es mehr Geld gibt.“ Lediglich 20 Auszubildende aus dem Keramikhandwerk machten bundesweit in diesem Jahr ihren Abschluss. Zirka acht davon kommen aus dem norddeutschen Raum, so Ziaja.

Die entscheidende Frage: Wird es dann noch Lehrstellen geben? „Die meisten Töpfereibetriebe sind viel zu klein, um ihren Azubis eine drei- bis viermal höhere Vergütung zahlen zu können. Ich kann dann nicht mehr ausbilden“, bedauert die „tonalto“-Chefin.

Ähnlich geht es Gisela Rerup, die in ihrer Manufaktur derzeit zwei Azubis beschäftigt, die noch nicht unter die Regelung des Mindestlohnes fallen: „Gerne würde ich auch nach 2020 weiter ausbilden, könnte das aber wirtschaftlich nicht mehr leisten“, sagt sie.

Das Gleiche gilt für Birgit Peters, die in 35 Jahren 15 Lehrlinge zum Weber oder Textilgestalter im Handwerk ausgebildet hat und bei Durchsetzung des Mindestlohns 2020 keine Lehrstellen mehr anbieten kann: „Das würde langfristig das Aus für diese Branchen bedeuten“, ist sie überzeugt.

Auch in einem anderen Punkt sind sich alle einig – dass im Endeffekt niemand etwas von der geplanten Erhöhung haben wird: „Die meisten Azubis stocken ihre Vergütung bislang durch staatliche Zuschüsse auf. Wenn der Mindestlohn kommt, entfallen diese Beihilfen, und damit steht den Lehrlingen unterm Strich kaum mehr Geld als bisher zur Verfügung“, glauben sie und vermuten dahinter einen politischen Schachzug: „Im Grunde entlässt sich der Staat so aus der Unterstützerrolle und wälzt die Kosten auf die Betriebe ab.“

Diese Entwicklung findet Maria Ziaja auch deshalb traurig, weil ihre Lehrlinge bisher sehr erfolgreich waren: Ihre erste Auszubildende wurde Landessiegerin in Schleswig-Holstein. Erst kürzlich qualifizierte sich auch die jetzige Auszubildende Emma Gäbler als Landessiegerin bei der Gesellenprüfung 2019 im Keramikhandwerk. „Natürlich weiß ich, dass die meisten meiner früheren Mitschüler mit einem deutlich höheren Lehrlingsgehalt gestartet sind“, sagt die 22-Jährige im Rückblick auf ihre Ausbildung bei „tonalto“. „Aber ich wollte unbedingt Keramikerin werden – alles andere war für mich zweitrangig“, betont sie. Das gilt genauso für ihre Kollegin Miriam (19), die jetzt im dritten Lehrjahr ist.

Auch die Chefin nickt: „Dieser Beruf ist immer eine Herzenssache, wenn nicht sogar eine Lebensentscheidung“, weiß sie. Eine befreundete Obermeisterin hat Maria Ziaja gegenüber die Hoffnung geäußert, dass für bestimmte Branchen und Betriebsgrößen Ausnahmen denkbar sind und die Lehrlingsgehälter weiter durch staatliche Zuschüsse aufgestockt werden könnten. Zudem gibt es die Idee, das Töpferhandwerk zum Kulturerbe erklären zu lassen und auf diese Weise Fördertöpfe zu erschließen. „Im Moment aber herrscht einfach nur große Verunsicherung“, so Ziaja.
Quelle: Husumer Nachrichten

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