Ton umgibt uns im Alltag

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Werkstoff zeichnet sich durch große Vielfältigkeit aus – Von Tassen bis hin zu Filtern

Ton ist ein unglaublich vielseitiges Material. Jeder kennt ihn aus dem Alltag – beim Schluck aus der Kaffeetasse oder beim Gang ins Bad. Doch Ton kann noch viel mehr.

WESTERWALDKREIS. Die Einsatzbereiche Westerwälder Tone finden sich zum großen Teil im Alltagsleben wieder. Nach dem Aufstehen führt meist der erste Gang ins Bad. Die Fliesen, auf denen wir gehen oder die wir an der Wand anschauen können, enthalten oft Westerwälder Tone. Das Waschbecken, vor dem wir uns waschen und die Zähne putzen, wird ebenso aus hochwertiger Keramik hergestellt wie die Toilette. Wenn wir abziehen, fließt das Wasser in Abflussrohre aus Steinzeug, also Keramik. In der Küche greifen wir zur Kaffeetasse und Teller aus Porzellan, die Ton enthalten. Auf der Fensterbank stehen Blumentöpfe, die vielleicht sogar im Westerwald hergestellt wurden. Die Dachziegel, die Mauerziegel, die Klinker unseres Hauses, die Pflastersteine vor der Haustür können aus Ton hergestellt sein oder Ton enthalten.

Soweit ist der Bereich, in dem Tone verwendet werden, fast allgemein bekannt. Statistisch gesehen wird der größte Teil der Westerwälder Tone auch in diesen Bereichen eingesetzt. Allein 36,3 Prozent der geförderten Menge werden zur Herstellung von Fliesen oder Platten im In- und Ausland benutzt. Unsere elektrischen Geräte werden mit Elektrizität angetrieben. Dass Strom ohne keramische Isolierungen nicht in unser Haus gelangen könnte, ist schon weniger bekannt. Genauso wenig, dass Keramik bei Katalysatoren und Dieselrußpartikelfilter Anwendung findet. Doch die Einsatzmöglichkeiten von Ton und Keramik gehen um einiges weiter.

„Dass Tone zum Beispiel in der Landwirtschaft und im Umweltschutz eingesetzt werden, ist zwar nicht neu, aber es weiß kaum einer“, erklärt Dr. Ralf Diedel, Mineraloge und Geschäftsführer des Forschungsinstituts für Anorganische Werkstoffe – Glas/Keramik (FGK) in Höhr-Grenzhausen. Technologisch macht man sich zunutze, dass Ton eine abdichtende Eigenschaft hat. Nichts läuft durch.

Auf einer Mülldeponie entsteht hochgiftiges Sickerwasser. Das darf auf gar keinen Fall in das Grundwasser gelangen. Der Abfall wird also auf Ton gelagert. Etliche Schichten von 10 bis 20 Zentimeter Dicke werden verdichtet, bis eine Gesamthöhe von circa zwei Metern erreicht ist. Darüber kommt Folie, Kiesbett, Geotextil und dann der Müll.

„Eine weitere Eigenschaft des Tones ist die Kationenaustauschkapazität. Schwermetallhaltige Lösungen bleiben am Ton hängen“, erläutert Diedel einen weiteren Vorzug für den Ton bei Deponien als Basis- wie auch als Oberflächenabdichtung. Rohstoffe aus dem Westerwald sichern also seit ungefähr 25 Jahren die Mülldeponien in Meudt und Rennerod. Der Kationenaustausch wird auch in der Landwirtschaft zur Bodenverbesserung genutzt. Sandige Böden werden mit Tonmineralen vermischt, um Dünger und Nährstoffe länger zu speichern. Die Absorberfähigkeiten des Rohstoffes können je nach Bearbeitung unterschiedlich eingesetzt werden. In Ruppach zum Beispiel werden täglich 80 Tonnen Katzenstreu hergestellt. Was in dem Fall aufgesogen wird, ist klar, doch auch Öle und Schadstoffe können gebunden werden. Aufgenommen wird dabei mindestens das Eigengewicht. Ton besitzt eine sehr feine Oberflächenstruktur. An ihr können kleinste Partikel anhaften. Dies wird zur Getränkeschönung genutzt. Wein, Bier oder Fruchtsäfte werden zu klaren Flüssigkeiten.

Aus gebranntem Ton, also Keramik, werden Filter unterschiedlicher Art produziert. Keramische Membrane halten feine Stäube als Rauchgasreiniger bei Müllverbrennungsanlagen oder Kraftwerken zurück. „Diese Technologie gäbe es ohne Keramik gar nicht, alle anderen Werkstoffe würden wegschmelzen“, betont Diedel. „Im Moment finden sogar Versuche statt, aus Kohlekraftwerken CO2 rauszufiltern. Dabei wird die Porosität der Filtermembran so gezielt eingestellt, dass verschiedene Gasmoleküle getrennt werden können.“ Auch beim Säure- und Korrosionsschutz in Verbindung mit hohen Temperaturen bleibt nur Keramik. Bei der Herstellung von Säuren müssen die Becken mit entsprechend säurefesten Fliesen ausgekleidet sein.

Weitere Nutzmöglichkeiten von Ton und Keramik werden sich in der Zukunft erschließen. Das FGK ist ein anwendungsorientiertes Forschungsinstitut. Zurzeit sind hier zum Beispiel Hybridwerkstoffe Thema. Es wird versucht, die positiven Eigenschaften unterschiedlicher Werkstoffe zu verknüpfen. Zusammen mit der Industrie wird die Entwicklung von Tonmineralien in Kunstoffen vorangetrieben. Ziel ist eine stärkere Zähigkeit und längere Haltbarkeit im Brandfall zu erhalten.
Ulrich Mickley

Westerwälder Zeitung vom Samstag, 12. September 2009, Seite 20.

Infos unter:
FGK – Forschungsinstitut für Anorganische
Werkstoffe Glas/Keramik – GmbH

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