Das Stadtmuseum Siegburg zeigt vom 13. Juli bis 01. September 2024 zeitgenössische Keramik aus Frankreich.
In der Ausstellung begegnen sich die freien Arbeiten zweier Künstler aus Frankreich, die mit den traditionellen Techniken der Keramikproduktion brechen. Beide orientieren sich an der Natur – Laurent Petit an der Erde, an Bäumen und Pflanzen; Benoît Pouplard an Wasser und Eis.
Beide arbeiten mit Brüchen, Rissen, Auffaltungen und Verschmelzungen. Beide verwenden das Verfahren des Abformens, aber auf sehr unterschiedliche Weise. Jeder auf seine Weise sind sie auf der Suche nach einem Ausdruck für die Dialektik von Wachstum und Vergänglichkeit, der Verwandlung der Materie, Chaos und Ordnung, und der Verletzlichkeit der Schöpfung. Trotz dieser Analogien in ihrem Werk, sprechen sie beide eine sehr authentische, eigene Sprache.
Laurent Petit lässt sich von Geschichte, Mythologie, Archäologie und Natur inspirieren, um Werke zu schaffen, die sowohl skulptural als auch malerisch sind. Seit 2018 entwickelt er drei Werkfamilien: die Mythologies – frei nach den Geschichten der alten Griechen, die Vestiges – geschnitzte Blöcke mit rätselhaften Drapierungen und die Élégances du chaos, die chaotische Formen mit eher geometrischen Gitterstrukturen verbinden.
Formen, Material und Farbe seiner Arbeiten zeugen von seinem Interesse an der Erzählung von Geschichte, der Erinnerung und dessen, was aus der Vergangenheit übrig bleibt.
Seine scheinbar abstrakten Keramiken schöpfen aus einer sehr konkreten Realität. Er sammelt Fundstücke aus der Natur, wie Kieselsteine und Holzstücke, die durch die Zeit korrodiert sind, oder Gegenstände, wie Ziegelsteine, Dachziegel, Bleiplatten, die eine Geschichte und eine Erinnerung transportieren. Einige formt er ab, manchmal werden sie verformt und beim Herauslösen aus der Prägeform überarbeitet, oder vergrößert. Laurent Petit spielt mit Oberflächeneffekten, dem Glanz der lebendigen Erinnerung und dem kreidigen Matt der verblassenden Erinnerung. Die Farbe Weiß dominiert, wird aber mit Zeichen, Konkretionen und Spritzern versetzt, die wie verschwundene Polychromie wirken.
Für die Ausstellung im Stadtmuseum Siegburg fügt er den Reihen der Mythologies und der Vestiges eine neue Reihe Rêve d’archéologue (Traum eines Archäologen) hinzu, die von der Seele des Ortes inspiriert wurde.
Das Stadtmuseum, das die Geschichte der Stadt und der Region von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart zeigt, beherbergt unter anderem eine große Sammlung an archäologischen Objekten – Fossilien, Mineralien, Knochen, Ton- und Glasscherben -, architektonischen Elementen verschwundener Gebäude – Wasserspeier, Kapitelle, Säulenfragmente – und Zeugnissen der keramischen Vergangenheit Siegburgs. „All dies stand im Einklang mit meiner Arbeit über Überreste, das Auslöschen oder die Weitergabe von Erinnerungen“, erklärt der Künstler. Laurent Petit sieht seine Rêve d’archéologue als imaginäre „Ausgrabungsstücke“. Sie sind eine Mischung aus Gemälde, Flachrelief und Objekt und bestehen aus kleinen Skulpturen, gefundenen Gegenständen und zerbrochenen Keramikfragmenten, die auf einer ebenen Fläche zusammengesetzt werden.
Benoît Pouplard ist fasziniert von Wasser und Eis, von der Macht und Kraft ihrer Struktur und ihrem Wandel durch die Jahrtausende, und der, wie er es nennt, „Choreographie des Gletscherchaos“. Es ist ihm ein großes Anliegen, in seinen Arbeiten „die Seele des Nordens einzufangen, eine sich verändernde Welt zu dokumentieren, geschmolzene Materie, die unter dem Bruch des Gletschers sprießt.“ Er spürt der Gewalt der Tektonik unter dem Eis nach, den Verschiebungen gewaltiger Massen unter Druck, die seit Jahrmillionen bis heute die Gestalt einer einsamen, weiten, eisigen und faszinierenden Landschaft geprägt haben. Archaisch, kraftvoll und unmittelbar treten einem die Arbeiten von Benoît Pouplard entgegen. Sie bilden die erhabene Kraft des Eises, gefrorene Wellen, kalbende Eisberge und von Gletschereis und Schmelze, von Wachstum und Starre klirrender Kälte geformte, geborstene Natur nach, die seit Urzeiten wirkende Kraft der Verformung. Und die Stille.
So entstehen seine Arbeiten als imaginäre Gefäße für das Gedächtnis des Wassers, aus Seladon-Emaille und durchscheinendem weißen Porzellan. Seit vielen Jahren untersucht Benoît Pouplard in endlosen Brennproben sein Material, strukturiert wie ein Wissenschaftler und experimentell wie ein Alchemist, um seiner Idee und Vorstellung einer machtvollen, eisigen Natur Gestalt zu geben. Er verwendet Formen aus Gips, in die er halbpastöses Porzellan einfüllt, das er dann durch Zwischenlegen von Keilen aus Pappe oder Styropor in Form bringt. Seine Arbeiten erscheinen wie aus den Schmelztiegeln der Titanen im Ur-Feuer und Eis der Entstehung der Welt gebaut. Dabei leuchten sie in dem weißlichen, grün-bläulichen Farbspektrum des Seladons, kristallin wie gefrorenes Wasser oder Glas. Das magisch-lichte Seladon steht im Kontrast zu der spröden Masse und berstenden Kompaktheit der keramischen Arbeiten, wie auch in der Natur des Nordens Stein und Erde im Kontrast stehen zu Wasser und Eis.
Laurent Petit und Benoît Pouplard thematisieren mit ihren unterschiedlichen Ansätzen das was bleibt, wenn Zeit, Erosion oder die Zerstörung durch die Natur oder den Menschen ihr Werk tun. Ihre faszinierenden Keramiken verstehen sich als „mineralisch-archäologische“ Objekte, als Erinnerungsstücke von Natur und Geschichte(n), die dem Wandel von Werden und Vergehen unterliegen.
Laurent Petit & Benoît Pouplard
Zeitgenössische Keramik aus Frankreich
Ausstellungsdauer:
13. Juli – 01. September 2024
Öffnungszeiten:
Di bis Sa 10.00-17.00 Uhr
So 10.00-18.00 Uhr